Vincenz Frigger

Wachsende Anerkennung (1960 - 1986)

Schon in der Büdericher Zeit weitete sich der Radius der Kunstinteressierten. Immer wieder fanden sich Besucher ein zu einer Art Seminar in Sachen Kunst. Erhalten sind z.B. Zeitungsberichte über den Besuch eines Volkshochschulkurses, einer Schulklasse und von Lehrern einer Berufsschule (siehe Archiv Nr. 3: "Blaue Stunde - ohne Novalis" und Nr. 4: "Verheißung oder Abschied?"). Sie kamen aus den umliegenden Städten, um den Maler im Küsterhaus über Kunst und seine künstlerische Entwicklung sprechen zu hören und die Zeugen dieser Entwicklung, seine Bilder und Graphiken, zu betrachten.

Und auch im Bereich der Musik weitete sich der Radius. Ich erinnere mich noch gut der dramatischen Stunde, als Ende der 50er Jahre eine Kommission der kirchenmusikalischen Abteilung des Dortmunder Konservatoriums in der Büdericher Kirche Platz nahm, um meinen Vater zu prüfen. Die Aufgabe lautete, nach einem vorgegebenen Thema in verschiedenen Stilen vom Barock bis zur Moderne auf der Orgel zu improvisieren. Diese Prüfung öffnete ihm das Tor zu einer langjährigen Tätigkeit als Dozent für Improvisation an demselben Konservatorium, das er einst als Student hatte verlassen müssen.

Der ehemals verwehrte Studienabschluss hatte nun keine Bedeutung mehr. Damit endete auch die Zeit, in der mein Vater es nicht gewagt hatte, sich auf eine anspruchsvolle Organisten-stelle zu bewerben. Nun fand er den Mut dazu. Er ging zunächst für zwei Jahre an die St.Gertrudis-Kirche in Dortmund. Dann erhielt er die Stelle, die seiner Begabung endlich angemessen war - durch die Empfehlung seines ehemaligen Schülers Rudolf Brauckmann, der inzwischen Domchordirektor von Paderborn geworden war, und einstimmig gewählt vom zuständigen Gremium. Als Organist für die Dompfarre war er bis zu seiner Pensionierung am Hohen Dom in Paderborn tätig (vgl. Archiv Nr. 5: „Erste Gehversuche am Spinett“).

Schon im Laufe der 50er Jahre waren seine Bilder in mehreren Ausstellungen zu sehen: in der näheren Umgebung, von Menden bis Soest. Nun weitete sich der Raum auf den Bereich zwischen Duisburg und Paderborn. So wurde sein Werk einem größeren Kreis von Kunstliebhabern bekannt, und die Nachfrage nach seinen Bildern stieg ständig. Die kommerziellen Fähigkeiten meines Vaters standen allerdings in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu seinen künstlerischen: Preise machen konnte er nicht.
Einmal sagte er zu mir: „Es ist mir wichtiger, dass meine Bilder bei denen sind, die sie schätzen.“

In den 70er Jahren kehrte er zu einer geläuterten Gegenständlichkeit zurück. Insbesondere die Reisen, die nun nicht mehr an ökonomischen Problemen scheiterten, befruchteten seine Arbeit. So gegensätzliche Landschaften wie die Ostsee (Bornholm) und Süditalien (Ischia) verarbeitete er in unzähligen Skizzen, Aquarellen und Pastellen (Bornholm, Südliche Landschaft mit Esel und Südliche Landschaft).

Doch in den 70er und 80er Jahren entstanden keineswegs nur Landschaften. Insbesondere in den Graphiken, Linolschnitten und Zeichnungen traten nun sozialkritische Themen in den Vordergrund: Armut und Reichtum (Arm und Reich: Die Arme), der Blinde, der Geschlagene, die Mühsal der Landarbeit, und immer wieder das Leid von Kindern: „Waisenkind“, „Angst“ „Verlassen“ .

Ein Grund für die verstärkte Darstellung leidender Menschen war sicher der Kontakt zu einem katholischen Schwesternorden in Indien, der sich unter anderem der Aufnahme und Ausbildung von (Waisen-)Kindern widmet. In seinen letzten Lebensjahren ließ mein Vater alle Einkünfte aus dem Verkauf von Bildern diesem Orden zukommen und finanzierte so den Bau von drei Kinderhäusern.

Was die malerischen Techniken anbetrifft, so hatte er sich schon zu Beginn der 60er Jahre von der Ölmalerei abgewendet, da ihn dieses Material an einer spontanen Arbeitsweise hinderte. Er experimentierte mit verschiedenen Mischtechniken (vor allem Binderfarbe) und arbeitete in seiner dritten Phase fast ausschließlich in Aquarell und Pastell.

In den letzten Jahren seines Lebens nahmen die gesundheitlichen Probleme zu. Schließlich wagte er sich kaum noch aus dem Haus, aber trotz aller Einschränkungen arbeitete er bis zu seinem Tod im Jahre 1986 unermüdlich weiter. Große Bilder zu malen war ihm nicht mehr möglich. Er beschränkte sich auf Formate, die er bewältigen konnte, und so entstanden in erster Linie Skizzen, Zeichnungen und Graphiken.

Schon die Wohnung in Paderborn, endgültig aber das kleine Appartement in Dortmund, in das er sich nach dem Tod meiner Mutter zurückgezogen hatte, boten keinen Platz für die Fülle der Arbeiten, die im Lauf der Jahre entstanden waren. Ein Freund in Werl erbot sich, seine Arbeiten zu archivieren. Ihm ist es zu verdanken, dass zahlreiche ausgezeichnete Blätter, Aquarelle und Pastelle, unversehrt erhalten blieben.

In dieser Zeit war die Ausübung der Musik nicht mehr möglich. Aber bis heute existieren Tonbandaufnahmen seiner Improvisationen, unter denen die synästhetischen besonders kostbar sind: Bisweilen spielte er auf dem Klavier seine Bilder.

An dieser Stelle möchte ich den Büderichern und der Stadt Werl danken, dass sie meinem Vater ein ehrendes Andenken bewahrt haben. Das drückt sich u.a. in der Tatsache aus, dass eine Straße im Neubaugebiet zwischen Büderich und Werl seinen Namen erhielt.

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